Lexikon

Hexenbutter

Die Hexenbutter (Fuligo septica), auch bekannt als Gelbe Lohblüte, ist eines dieser seltsamen Naturphänomene, das beim ersten Anblick gleichermaßen fasziniert wie verwirrt. Mit ihrem leuchtend gelben, schleimigen Aussehen breitet sie sich über Totholz, Rinde oder Mulch aus und wirkt, als hätte jemand einen Eimer farbigen Schleim mitten im Wald ausgeschüttet. Doch hinter dieser bizarren Erscheinung steckt ein äußerst spannender Organismus, der weder Pilz noch Tier ist, sondern zu den Schleimpilzen gehört – einer faszinierenden Gruppe, die irgendwo zwischen Einzellern und Vielzellern angesiedelt ist.

Was die Hexenbutter so besonders macht, ist ihre Beweglichkeit. Im aktiven Zustand, dem sogenannten Plasmodium, kriecht sie tatsächlich langsam über den Boden oder Holz, auf der Suche nach Nahrung. Mit ihrer gelblich-leuchtenden Farbe fällt sie besonders in der Natur auf, doch je älter sie wird, desto dunkler wird ihre Erscheinung. 

hexenbutterLebensraum und Erscheinung

Hexenbutter ist weltweit verbreitet, von den tropischen Regenwäldern bis zu den gemäßigten Breiten, und bevorzugt Orte, an denen Feuchtigkeit und organisches Material zusammenkommen. Besonders häufig findet man sie auf Totholz oder Rinde, manchmal auch auf Mulchflächen oder an Waldrändern. 

Ihr Aussehen kann variieren: Frisch und aktiv ist sie leuchtend gelb und hat eine weiche, schleimige Konsistenz, die später trocken und fest wird. Ihre krümelige, fast pulverige Oberfläche im fortgeschrittenen Stadium dient der Sporenbildung, mit der sie sich vermehrt und verbreitet. Die Hexenbutter kann eine Größe von 20cm, in Ausnahmefällen sogar bis zu 30cm erreichen.

Namensherkunft der Hexenbutter

Die ungewöhnliche Bezeichnung stammt aus altem Volksglauben, als man sich das plötzliche Auftauchen dieser leuchtend gelben, schleimigen Masse nicht erklären konnte. Ihr scheinbar schlagartiges Erscheinen, oft über Nacht, und die schleimigen Spuren, die sie hinterlässt, wurden häufig als Zeichen von Hexerei gedeutet (siehe auch Hexeneier und Hexenringe). 

In Zeiten, in denen die Natur noch voller unerklärlicher Phänomene steckte, galt die Hexenbutter als Werk von Hexen, die angeblich nachts durch Wälder zogen und diese seltsame, klebrige Substanz als eine Art Zauber hinterließen. Der Vergleich mit „Butter“ bezieht sich wohl auf die weiche, schmierige Konsistenz im frischen Zustand. Der wissenschaftliche Name Fuligo septica, der „Fäulnisschleim“ bedeutet, verweist dagegen nüchterner auf die ökologischen Aufgaben des Schleimpilzes.

Kulinarische Verwendung der Hexenbutter

Obwohl die Hexenbutter auf den ersten Blick wie eine Substanz wirkt, die man eher meiden möchte, gibt es Berichte über ihre Verwendung in der Küche. In einigen Kulturen wurde das gereifte Plasmodium jedoch gelegentlich eingesammelt und unter anderem gegrillt. Allerdings ist der Schleimpilz kulinarisch wenig attraktiv, da er geschmacklich neutral ist und in seiner Konsistenz wenig Appetitliches bietet. In der modernen Küche spielt die Hexenbutter keine Rolle mehr. 

hexenbutterEine unterschätzte Heldin des Waldes

Trotz ihres mystischen Rufs spielt die Hexenbutter eine wichtige Rolle im Ökosystem. Sie ist ein effizienter Zersetzer, der abgestorbenes Material abbaut und so Nährstoffe für Pflanzen und andere Organismen verfügbar macht. Gleichzeitig ist sie ein Paradebeispiel für die Kreativität der Natur: Im aktiven Plasmodium-Stadium ist sie ein einzelliger Organismus, der sich durch seine Umgebung bewegt, auf Nahrungssuche geht und dabei sogar Hindernisse „umgeht“. 

Dieser Prozess, bei dem sie auf chemische Signale reagiert, wird von Wissenschaftlern intensiv erforscht, da er faszinierende Einblicke in Zellkommunikation und kollektive Verhaltensweisen gibt. In einem Experiment konnte zum Beispiel beobachtet werden, dass sich die Hexenbutter in einem Labyrinth auf dem kürzesten Weg zu ihrer Nahrungsquelle bewegt. Dadurch kann den Schleimpilzen offiziell Intelligenz zugeschrieben werden – und das, obwohl sie ganz ohne Gehirn oder Nervensystem auskommen.

Hexenbutter-Invasion

Einen kuriosen Höhepunkt in der Geschichte der Hexenbutter gab es im Jahr 1973 in Dallas, Texas. Nach heftigen Regenfällen und ungewöhnlich feuchtem Wetter tauchte die Gelbe Lohblüte plötzlich in großer Menge in einem Vorort auf, wo sie auf Rasenflächen und Mulchbeeten die Gärten, aber auch Laternenpfähle und Strommasten bedeckte. Das mysteriöse Auftreten sorgte für Besorgnis, und viele Anwohner befürchteten eine Umweltkatastrophe oder gar eine giftige Bedrohung. 

Berichte über schleimige, gelbe Massen, die angeblich „kriechend“ Gärten überwucherten, führten zu Spekulationen, die bis hin zu außerirdischen Lebensformen reichten. Experten konnten schließlich aufklären, dass es sich um den natürlichen Lebenszyklus der Hexenbutter handelte, der durch die ungewöhnlich feuchten Bedingungen hervorgerufen wurde. Dass die Feuerwehr den Befall zusätzlich mit einem Wasserstrahl zu bekämpfen versuchte, begünstigte die Ausbreitung sogar noch zusätzlich.