Lexikon
Grüner Knollenblätterpilz
Der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) sieht auf den ersten Blick gar nicht so bedrohlich aus – ein glatter, grünlich-olivfarbener Hut, ein eleganter weißer Stiel, der in einer Knolle endet, und hübsch angeordnete, weiße Lamellen. Doch hinter diesem harmlosen Äußeren steckt einer der giftigsten Pilze der Welt. Schon ein kleiner Bissen kann tödlich sein, weshalb er vor allem für unerfahrene Pilzsammler eine große Gefahr darstellt.
Merkmale und Fundorte
Er wächst in lichten Wäldern, Parks oder Gärten, oft unter Laubbäumen wie Eichen oder Buchen. Besonders im Spätsommer und Herbst ist er auf kalkreichen Böden zu finden, manchmal einzeln, manchmal in kleinen Gruppen. Sein Hut schimmert oft in einem dezenten Olivgrün, aber auch gelbliche oder fast weiße Exemplare sind keine Seltenheit, was die Bestimmung umso tückischer macht. Der charakteristische "Knollenfuß", der wie in einer kleinen, sackartigen Hülle sitzt, ist das wichtigste Unterscheidungsmerkmal, doch dieser Teil bleibt oft halb im Boden verborgen.
Der Grüne Knollenblätterpilz - Ein tödlicher Giftpilz
Die Toxine des Grünen Knollenblätterpilzes gehören zu den gefährlichsten in der Natur. Sie greifen vor allem die Leber und Nieren an, wobei die Symptome erst verzögert auftreten – wenn es oft schon zu spät ist. Übelkeit und Erbrechen treten nach etwa 6 bis 12 Stunden auf, danach scheinen sich die Betroffenen kurzzeitig zu erholen. Doch diese „Ruhephase“ täuscht: Innerhalb weniger Tage kann es zu Leberversagen kommen. Selbst modernste medizinische Behandlungen stoßen bei schweren Vergiftungen oft an ihre Grenzen. Laut DGfM ist der Grüne Knollenblätterpilz für 90% aller tödlich verlaufenden Pilzvergiftungen verantwortlich.
Das größte Problem: Er sieht Speisepilzen wie dem Wiesenchampignon oder dem Perlpilz täuschend ähnlich. Unerfahrene Sammler können ihn leicht verwechseln, besonders wenn sie sich allein auf die Farbe des Huts oder die Lamellenstruktur verlassen. Doch ein Champignon hat nie rein weiße Lamellen, und ein Perlpilz hat keine knollenartige Basis in einer sackartigen Scheide. Diese Details entscheiden hier buchstäblich über Leben und Tod.
Historische Pilzvergiftungen durch den Grünen Knollenblätterpilz
Der Grüne Knollenblätterpilz hat durch seine Giftigkeit eine düstere Rolle in der Geschichte gespielt und war immer wieder Auslöser tragischer Ereignisse, die teils prominente Opfer forderten. Schon in der Antike wurde er vermutlich für tödliche Vergiftungen verantwortlich gemacht, da seine Wirkung oft unerkannt blieb und er leicht mit essbaren Pilzen verwechselt wurde.
Eine der bekanntesten historischen Vergiftungen, bei der der Grüne Knollenblätterpilz eine Rolle gespielt haben könnte, ist der Tod des römischen Kaisers Claudius im Jahr 54 n. Chr. Nach Berichten antiker Historiker wurde Claudius durch einen vergifteten Pilzgericht ermordet, das ihm von seiner Frau Agrippina serviert wurde, um ihren Sohn Nero an die Macht zu bringen. Zwar lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, welcher Pilz verwendet wurde, doch die tödliche Wirkung passt zum Grünen Knollenblätterpilz.
Auch der Komponist Johann Schobert fiel 1767 einer tragischen Pilzvergiftung zum Opfer, die vermutlich durch den Grünen Knollenblätterpilz verursacht wurde. Schobert, der mit seiner Familie und Freunden in Paris Pilze sammelte, ließ sich trotz mehrfacher Warnungen nicht von der Zubereitung der gesammelten Pilze abbringen, da er sie für harmlos hielt. Nach dem Verzehr des Mahls zeigten sich bald die typischen Symptome einer Amatoxin-Vergiftung: Erbrechen, Durchfall und schließlich Organversagen. Schobert, seine Ehefrau, seine Kinder und zwei weitere Personen starben kurz darauf. Der Vorfall, der auf eine Verwechslung des giftigen Grünen Knollenblätterpilzes mit essbaren Arten zurückzuführen war, dient bis heute als eindringliche Warnung vor den Gefahren ungenauer Pilzbestimmung.
Pilz des Jahres 2019
Doch trotz seiner Gefahr hat der Grüne Knollenblätterpilz auch eine faszinierende Seite. Er lebt in enger Symbiose mit Bäumen, versorgt sie mit Nährstoffen und gehört fest zum Kreislauf des Waldes. Trotz oder gerade wegen seiner Giftigkeit wird dieser Pilzart große Aufmerksamkeit geschenkt. So hat die Deutsche Gesellschaft für Mykologie den Grünen Knollenblätterpilz zum Pilz des Jahres 2019 gewählt.